Heute wechsle ich mein Zimmer.
Bei meiner Ankunft vor drei Tagen im Hotel hat die Chefin des Hauses mir angesehen, wie enttäuscht ich darüber bin, dass mein Single-Zimmer keinen Meerblick hat. Nachdem wir ins Gespräch gekommen waren und ich ihr erzählt habe, dass ich schon ganz oft in ihrem schönen Hotel gewohnt habe und immer Meerblick hatte, checkte sie kurzerhand die Buchungen und sagte: „On friday, you get a room with see view“.
Von allen 60 Zimmern, die es in diesem Haus gibt, musste es ausgerechnet jenes sein, welches ich 2014, als ich zum letzten Mal hier war, bewohnte. Keine Ahnung, ob es Absicht von der Hotelfrau oder ob es wirklich so ein blöder Zufall war, eines steht fest: Ein Zurück gibt es nicht. Ich kann ja schlecht sagen, dass mir der Ausblick nicht gefällt oder dass ich plötzlich unter Höhenangst leide.
Langsam durchschreite ich mein neues, mir bekanntes Hotelzimmer. Mit dem Zeigefinger streiche ich über die Ablage, über das Bett, öffne die Balkontüre und erlebe wieder diesen besonderen, einzigartigen Blick aufs Meer. Sonst ist da nichts. Keine Gefühlsregung. Alles IST gut!
Erst wie ich im Badezimmer stehe und das WC sehe, das ich vor drei Jahren mit seiner Zahnbürste fein säuberlich unter dem Rand und bis in die Tiefen des Abflusses geschrubbt und sie dann wieder in seinen Zahnputzbecher zurückgesteckt habe, merke ich, das ich leise lache. Kann man mich dafür nachträglich verklagen wegen Gefährdung der Gesundheit? Mein Anwalt könnte in diesem Fall auf ausgleichende Gerechtigkeit plädieren, immerhin habe ich damals durch ihn einen Herzbruch erlitten.
In meiner Gedankenwelt überschlagen sich Sätze wie:
Die beste Entscheidung des heurigen Jahres, hier her zurückzukommen.
Kein trauriges Gefühl an die Vergangenheit, yeahhhh!
Auspacken, schnell die paar Sachen verstauen, damit es ganz echt und wirklich ist: Mein neues, altes Zimmer, welches ich nun bis zu meiner Abreise bewohnen werde.
Ich bin ein Glückspilz!
Die Hotelfrau muss ich umarmen, das mache ich als erstes.
Ich hatte schon ein bisschen Bammel davor, alleine zu reisen, muss ich ehrlich zugeben. Seit dem ich in der kleinen Ortschaft Amoopi angekommen bin, begegnen mir die Einheimischen mit besonderer Freundlichkeit. Jetzt, wo ich schon einige Tage hier unterwegs bin, weiß der Typ in der Taverne, in die ich nach dem Strand immer gehe um zu Abend zu essen, dass ich alleine bin. Meine Getränkebestellung kommt automatisch, ich muss außer Kalispera gar nichts mehr sagen, ein Lächeln genügt. Als besondere Begrüßung bekomme ich immer ein Glas Ouzo mit Eis, auf´s Haus. Die anderen Gäste nicht. 🙂
Auch die alte Griechin, bei der ich im Mini-Market immer meine Wasserflasche kaufe, weiß, dass die Erfrischung für mich alleine ist. Sie winkt mir jeden Tag schon von weitem zu. Gestern hat sie mir eine Weintraube zusätzlich eingepackt, damit ich am Strand was zum Naschen habe.
Die Hotelangestellten fragen mich auch jedesmal, wenn ich ihnen über den Weg laufe: „Hello, how are you today?“ Auch hier habe ich das Gefühl, dass sie mich(i) sehen, und nicht einen Hotelgast. Der Poolmann, bessergesagt der Poolopa, war auch süß letztens. Er hat mir frische Feigen gebracht und mir den Baum gezeigt, von dem er sie gerade gepflückt hat – als wüßte ich das nicht!
Ich denke mir jedesmal: „Was kann ich euch lieben Menschen noch zurückgeben, außer mein Lächeln?“ Hoffentlich können sie in meinen strahlenden Augen erkennen, wie unglaublich glücklich ich hier bin, und hoffentlich glauben sie nicht, dass ich vollkommen gaga bin weil ich ständig irgendwo grinsend rumstehe und in die Landschaft schaue.
Meine Hautfarbe erinnert schon an Tobago Schokolade. Sie braucht heute mal eine kleine Auszeit von der Sonne. Ich habe beschlossen, mir ein Moped von nebenan zu holen und in die Hauptstadt nach Pigadia zu fahren. Im Café Acropolis werde ich vorbeischauen, ein paar Gewürze einkaufen und bei Sofia, meinem Lieblingsrestaurant, das Leben in Slow Motion genießen.
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