Das erste Mal ist immer etwas Besonderes. Der erste Kuss, der erste Kinoabend ohne Eltern, die ersten warmen Sonnenstrahlen im Frühling,…

Für mich heißt es jetzt: Das erste Mal alleine reisen.
46 Jahre musste ich alt werden, um dieses Abenteuer zu wagen. Ich habe mich entschlossen, es auszuprobieren, weil die Sehnsucht nach dem Meer schon recht groß ist. Meine Freundinnen sind alle fest im Beziehungsleben geparkt oder jobtechnisch nicht abkömmlich, also blieb mir nichts anderes übrig, als ins Reisebüro meines Vertrauens zu gehen und zu sagen: „Bitte buchen Sie mir die gleiche Insel und das selbes Hotel wie vor drei Jahren, nur dieses Mal ein Einzelzimmer!“
Den kurzen, mitleidigen Blick der Reisebürotante habe ich gesehen!
„Ja, ich reise alleine, ich probiere das jetzt einmal aus!“ – hätte ich sie am liebsten angeschrien, weil ganz sicher war ich mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob ich dieses Abenteuer wirklich wagen will. 2 Tage Bedenkzeit später hatte ich die fixe Buchung in meiner Mailbox. Ohne Stornoversicherung! Karpathos, ich komme.

Das war vor 2 Monaten. Heute besteige ich den Flieger der mich auf meine geliebte griechische Insel bringt, die ich in und auswendig kenne. Ganz oft war ich schon da gewesen, das letzte Mal im September 2014, das letzte Mal mit meinem Lebensgefährten. Die Heimreise damals vor drei Jahren, nach dem schrecklichen Ereignis, war… ich kann mich eigentlich nicht mehr so genau erinnern. Unwirklich war irgendwie alles, mit hunderten von Menschen in der griechischen Abflughalle und doch ganz alleine. Ich vermute, dass ein Teil von mir damals dort zurück geblieben ist.

Aufgeregt betrete ich nun den VIA, suche den Schalter, gebe meinen Koffer ab. Er ist diesmal ziemlich leicht, wiegt nur 9870 Gramm. Auf dem Weg zum Gate sehe ich überall Menschen im Doppelpack. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mich alle Leute anschauen und Mitleid mit mir haben, weil ich alleine unterwegs bin. Ich spüre sie schon kommen, die Tränen, ganz langsam füllen sich meine Augen mit Flüssigkeit. „Reiß Dich zusammen“, denke ich mir, und schaue dabei auf die Decke der Abflughalle in der Hoffnung, das dieses nasse Element ins Augeninnere läuft und meine Wangen verschont. Vielleicht liegen meine Nerven auch nur blank, weil ich die letzte Nacht fast nicht geschlafen habe und es kurz vor fünf Uhr in der Früh ist. Oder vielleicht ist es meine Flugangst, die mir blöderweise gerade jetzt von hinten auf die Schulter klopft. Ich überlege kurz, welche Situation es rechtfertigen würde, wenn ich statt dem Flieger nach Griechenland, den Zug nach Krems nehmen würde. Keine.

Am Gate angekommen muss ich mich erst Mal hinsetzen. Ich fühle mich schwach, eine mir vertraute Schulter zum anlehnen wäre jetzt nicht schlecht – gibt es aber nicht. Mir wird klar, dass ich gerade dabei bin, meine Komfortzone zu verlassen, und dass ich das, was die nächsten 7 Tage und 7 Nächte in meinem Kopf passiert, nicht beeinflussen kann. Außer, ich bestelle schon Mittags in einer Taverne eine Flasche Retsina. Keine kleine sondern eine große!

Der Flieger steht angedockt hinter der Glasscheibe und ist zum Einsteigen bereit. Draußen ist es finster. Boarding completed. Mit ein paar Minuten Verspätung rollt die Maschine auf die Startbahn. Gleich geht es los. Zum ersten Mal alleine reisen ist bis jetzt nicht lustig, finde ich. Und trotzdem ist da dieses kleine, aber doch spürbare Gefühl von Stolz, dass ich es schon mal bis hier her geschafft haben. Alleine! Gespannt, was da alles kommt die nächsten Tage, lehne ich mich zurück und höre die Worte des Piloten:

„Arm slides, ready for takeoff!“