Einzigartig sind die sanften Hügeln der Weststeiermark, auf denen der Schilcherwein wächst und gedeiht. Zusammen mit den vielen schönen Sonnenstunden ergibt das die wunderbare Leichtigkeit des Lebens im Schilcherland.

Wie fast jedes Jahr im Oktober zieht es mich auch heuer wieder nach St. Stefan ob Stainz, denn es ist Schilcher-Sturm-Zeit! Diesen bordeauxviolette Saft des Blauer Wildbacher gibt es nur von Mitte September bis Ende Oktober und schmeckt am besten direkt vor Ort bei einer der zahlreichen Buschenschanken.
Diesmal begleitet mich meine Freundin Petra. Gemeinsam wollen wir nicht nur die Farbpracht im Weinglas sondern auch die der herbstlich verfärbten Weingärten und Wälder genießen.

Sportlich und wandertechnisch nicht ganz unerfahren, suchen wir uns auf der Karte eine schöne Route aus. 13 Kilometer und knapp 4 Stunden steht unter dem schönen Wort „Winzerweg“. Als Tipp ist weiter zu lesen: „Entlang des Weges gibt es die Möglichkeit bei Weinbauern einzukehren. Gaststätten mit bodenständiger Küche laden zum Verweilen ein!“ Ein Weg, wie für uns gemacht, denken wir, und starten unsere Wanderung. Immer im Blick das rote Schild, das uns die Richtung zeigt.

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Der Himmel ist wolkenlos, strahlend blau. Die Sonne läßt die Temperatur auf über 25 Grad steigen und wir sind bereits 30 Minuten unterwegs, als wir folgende Textpassage auf der Wanderkarte lesen: „Am Ende des Weges erreichen Sie die Wilfen-Kapelle. Zwischen Weingärten, Wald und Wiesen hindurch kommen sie zum Weinhof Klug.“ Zu diesem Zeitpunkt stehen wir in einer knöchelhohen, nassen Wiese und blicken auf einen Weinberg mit 60 prozentiger Steigung.
Ein etwas ungewöhnlicher Weg für eine Wanderung denken wir, und versuchen, mit einer einigermaßen aufrechten Körperhaltung die 100 Meter steil bergauf zu bewältigen. Für ein Glas gut gekühlten Schilchersturm tun wir ja so einiges. Oben angekommen folgt die ernüchternde Erkenntnis: Hier ist keine Buschenschank. Statt der süß-säuerlichen Erfrischung vom Winzer gibt es Wasser aus der Flasche aus dem Rucksack. Haben wir ja zum Glück mit. Wir sind ja wandertechnisch erfahren 🙂 und ärgern uns bestimmt nicht über diese Fehlinformation auf der Wanderkarte.
Wir lesen wieder die Wegbeschreibung auf dem mittlerweile etwas zerdrücktem Blatt Papier und befolgen die Anweisung: „Wenn Sie nach ein paar Hundert Meter links abbiegen, kommen Sie zu einer Wegkreuzung und gehen weiter, vorbei an der Schoberkapelle, zum Weingut Koller.“ Menschen sehen wir zu diesem Zeitpunkt keine, nur Kühe, welche die herbstliche Wiese abgrasen.
Unsere flockig-lockere Gehweise, wie sie zu Beginn war, hat mittlerweile ein höheres Tempo erreicht. Beinahe stolpern wir über eine Parasol-Familie, die Mitten auf unserem Weg steht, von dem zweiten, angekündigten Weingut fehlt jedoch jede Spur.

Die Erkenntnis des heutigen Tages: Wir haben uns offensichtlich verlaufen!
Die große Frage nun: Wo sind wir? Wir befragen Google Maps und Siri, bekommen aber keine hilfreiche Information. Gefühlte Stunden später hören wir ein Auto des Weges kommen. Der Fahrer hält nur zaghaft auf mein Zeichen an, überlegt kurz, ob er das Fenster der Beifahrertür ein Stück öffnen soll und tut dies dann schließlich. Vor ihm stehen zwei durstige und was noch viel schlimmer ist – hungrige – Frauen.
„Wo sind wir“, frage ich den jungen Mann, der am Steuer sitzt und offensichtlich in eine Flasche Acqua di Gio von Giorgio Armani gefallen ist. Ergänzend halte ich ihm unsere Wanderkarte vor´s Gesicht. Sein Zeigefinger deutet mit sichtlichem Unbehagen auf eine grüne Fläche die ein größeres Waldstück abseits des vorgegebenen Weges auf der Karte zeigt. Dieser grüne Fleck befindet sich zwei Zentimeter oberhalb des letzten Drittels unserer Tour. Die weiblichen Gehirne realisieren erst, was das zu bedeuten hat, als der Fahrer des schnittigen BMWs mir die Karte wieder in die Hand drückt und abrauscht.

Da stehen wir nun, inmitten dieser wunderbaren Landschaft. Wir üblegen, ob wir aufgeben und das letzte Drittel gleich zurück gehen oder ob wir den Winzerweg in die gegengesetzte Richtung fortsetzen sollen. Mit einem frisch vom Baum gepflückten Apfel setzen wir unsere Wanderung fort. Wir machen keine halben Sachen, wir bringen zu Ende, was wir begonnen haben!

Fix und fertig kommen wir gegen 16 Uhr an unseren Ausgangspunkt zurück. Das Auto wird uns nun dort hin bringen, wo wir zu Fuß nicht hingefunden haben, zu einer Buschenschank.
Belohnt werden wir mit frisch gerösteten Maroni, Schilchersturm und einer köstlichen Steirer-Jausn, wie man sie eben nur in der schönen Steiermark bekommt.

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Nächstes Jahr komme ich ganz bestimmt wieder!